SEHE ICH RECHT? – Rezension Philipp Heinisch von Ilona Cosack
Philipp Heinisch ist Jurist. Im Nachwort erzählt er, dass er viel lieber, wie sein Vater, Maler geworden wäre. Er ordnete sich jedoch der Vernunft unter und wurde zunächst Anwalt. Zwanzig Jahre lang war er als Strafverteidiger tätig , bis im klar wurde, dass der Verfassungsschutz ihn ausspioniert. Das hat sein Leben verändert und er stellte sich das erste Mal die Frage: „Sehe ich R/recht?“.
Den Rechtsstaat und die gesellschaftlichen Tendenzen, die ihm schaden, hält Heinisch in seinen Karikaturen und Bildern fest. Auch der 70. Deutsche Anwaltstag in Leipzig widmet sich dem Rechtsstaat unter der Überschrift „Rechtsstaat leben“. Philipp Heinisch zeichnet dort live (Schweitzer Fachinformationen, Ebene 0, Stand 0.4).
Mit seinem neuesten Buch „SEHE ICH RECHT?“ zeichnet Heinisch in schwarz-weiß und in Farbe in 22 Kapiteln und hebt in § 1 „Wie alles anfing“ die Wichtigkeit von § 1 BGB hervor: Was, wenn es nicht im Gesetz stünde, – wäre dann der kleine Mensch rechtlos?
In KAPITEL 1 widmet sich Philipp Heinisch dem Gesetz an sich. Das Grundgesetz wird jetzt 70 Jahre „alt“. Gesetze sollen verständlich werden, wird „Law to go“ die Zukunft weisen? Grundsätzliches wird in KAPITEL 2 visualisiert: Welche Navigation weist zum Recht? Wie sieht der Biss des Gewissens aus? Das Magdeburger Experiment und In Sachen Adam ./. Eva über Schwierige Fragen, den Gartenzaun bis zum Rechtsgüterbahnhof reicht die Palette.
KAPITEL 3 befasst sich mit den „Organen der Rechtspflege“, die das Auge des Gesetzes sind. Lohnt sich die Karriereleiter, wie zirkelt man richtig und welches Ehrenamt passt? Mit dem „Juristen an sich“ bekommen wir es in KAPITEL 4 zu tun. Was zutrifft, entscheidet allein der Betrachter: Früchtchen einer Sache, Alter 68er, Brett à porter, juristischer Unfurz, Charakterköpfe, wie wird die „weiße Weste“ wieder rein?, der juristische Nachwuchs und das Stolperjungchen sind Beispiele.
KAPITEL 5 widmet sich den „Helden und fabelhaften Juristen“: Einmal kurz die Welt retten. Das umschreibt den Alltag von normalen Anwälten, die sich nicht hinter Superman, Spiderman und Catwoman verstecken müssen. Der Ritt des „Erlkönig“ zum Nachtbriefkasten (solange das beA noch nicht etabliert ist) und mit Robin Hood in die Bank zeigen die Facetten des Anwaltsberufes auf. „Juristisches Denken & Handeln ist die Überschrift von KAPITEL 6. Mit breit gefächertem Wissen und in der Tradition verwurzelt, werden Neuerungen misstrauisch beäugt und bereitet die praktische Umsetzung im Alltag oft genug gehörige Schwierigkeiten. Der Zebra-Denker und der Lukas geben sich die Klinke in die Hand. Was, wenn der den Juristen an „Neuland“ spült und er ungewollt dort strandet? Auch Hase und Igel werden trefflich in Szene gesetzt.
KAPITEL 7 zeigt Bilder des „Anwalts an sich“: Der hilfsbereite Bernhard Diener, aber auch die Arisierung von Anwaltskanzleien und Hans Litten’s Befragung von Hitler finden Platz ebenso wie die Hommage an Honoré Daumier und der beschlagene Anwalt, der mit allen Wassern gewaschen und gut gerüstet ist. Nicht zu vergessen Rechtsanwalt Strahlemann, der Fachanwalt für Dunkle Geschäfte. Apropos „Fachanwalt“. In KAPITEL 8 werden ein paar neue Fachanwaltschaften kreiert, an deren Verwirklichung die Satzungsversammlung noch zu knabbern hat: Der Astro-Anwalt, der in den Sternen lesen kann, darf ebenso wenig fehlen wie der Fachanwalt für Zocken und Glücksspiel und der 3-Sterne-Anwalt. Der Fachanwalt für Reiserecht wird mit den Koffern eingecheckt, um im Urlaub alle Register ziehen zu können. Denkwürdig ist das „Organ der Rechtspflege“, das mit Organspenden als Fachanwalt für Organhandel von 23 bis 4.30 Uhr sein Unwesen treibt. Auch der Fachanwalt für Motor(un)wesen betreibt sein Geschäft und leitet die Rechtssuchenden zur Ausfahrt.
KAPITEL 9 widmet sich dem heiklen Thema des „Anwaltsmanagements Kanzlei“. Angefangen vom Erfolgshonorar, über Street Marketing und Public Viewing, Philipp Heinisch trifft den Nagel auf den Kopf. Und auch Mindestlohn und Personalführung machen es dem Aktenangler schwer. Was wäre, wenn die Justiz kundenfreundlich wäre: der Staat als Dienstleister für gerechte Verhältnisse? Man müsste nett und freundlich zum Bürger sein? Mit diesem Thema befasst sich KAPITEL 10: „Umgang mit Nicht-Juristen“. Hieroglyphen, Justomat und Rabattaktionen.
Welches „Juristische Handwerkszeug“ man braucht, erfährt der Betrachter in KAPITEL 11: Juristische Rhetorik, das Bügeleisen, die Tuba, die Windmaschine, der fröhliche Maurer, die Ziehharmonika und die Augenhöhe (vgl. Robendebatte) sind Werkzeuge des versierten Anwalts. Alter Wein in neuen Schläuchen? Heinisch schaut als Analog-Arbeiter in KAPITEL 12 ins „IT-Recht im Digi-Tal“ mit dem Fazit: Es kommt drauf an, was man draus macht. Hat das Gürteltier ausgedient, wie sieht es auf der Datenautobahn aus, wie lange ist der Stau nach DIGITALIEN? Findet das blinde Huhn den richtigen Knopf? Und kann die künstliche Intelligenz die Chancen ausrechnen?
KAPITEL 13 leitet zur „Forensik Zivil“. Welche Rolle spielt der Spitzentanz, ist die Bühne frei, zieht man alle Register oder die Argumente von der Stange? Wie schlagfertig sind Anwälte im Prozess und was haben die Bremer Musikanten damit zu tun? Der Sachverständige für Wahrheitsfindung fliegt ein und auch die Retour-Kutsche wird angespannt. „Forensik Strafsachen“ in KAPITEL 14 zeigt, womit Strafverteidiger zu tun haben: Es ist angerichtet, Casino fatale, die Nacht der langen Messer, Niederschläge und der Strafraum spielen eine große Rolle, zielbewusst und gänslich unbefangen verrichtet man seine Arbeit.
„Eil Verfahren“ in KAPITEL 15 zeigen, dass das Hamsterrad sich unaufhörlich dreht: Der Mandant hat es grundsätzlich eilig, das Gericht terminiert ohne Absprachen mit der Kanzlei, das Chaos ist programmiert. Hier hilft „Moment mal!“, um dann den Antrag auf einstweilige Verfügung mit den richtigen Hilfsmitteln zu platzieren und auch die Beschleunigungsnovelle wird neben der Großbaustelle und dem Elfmeter in der 90. Minute thematisiert. Wie wär’s mit einem Schnellgericht, das den Luftdruck befeuert? „Gericht und Entscheidung“ KAPITEL 16: Spielen Richter auf dem JA – NEIN – Klavier in der Kammer des Gerichts? Gehört das Rechtsquintett auch dazu? Sägen und Sägen lassen, macht das für das arme Opfer oder den Simulanten einen Unterschied? Was hat es mit der Unabhängigkeit auf sich? Wo spielen Waschbären eine Rolle? Ziehen sich die Richter zur Beratung in die Zauberkammer zurück?
KAPITEL 17 „Streitschlichtung / Mediation“: Nicht mehr Recht haben oder Recht kriegen, sondern Schaffung eines von den Parteien akzeptierten Rechtsfriedens, auch für ausweglose Situationen: Mit der Sitzordnung fängt es an, auch die Erbsenzähler gehören dazu, manchmal hilft ein dicker Panzer und der Mediator am Bau ist vor Ort aktiv. Mediation unter Waffen stiftet Frieden und ein Rettungsring ist auch eine gute Lösung. KAPITEL 18 befasst sich mit „Soziales“: Hierzu gehört das einfühlsame Rechtsgespräch wie der Wegweiser und das Mobilitätscenter für Menschen mit Behinderungen, die sich im Rollstuhl „anstellen“ sollen. Der Familiennachzug, die Kinderarmut und das Burka-Verbot sind neben der göttlichen Gerechtigkeit und dem stinkenden Harzer 4 Bilder, die wirken.
„Sicherheit und Datenschutz“. In KAPITEL 19 geht es um Freiheiten, Daten und den BND-Falter. Landesverrat, der Sicherheitsjurist, der Abhör-Schneemann und die abhörsichere Kanzlei. „Ozapft is“ zeigt Risiken auf. Die Mission impossible und der kontrollierte Richter neben „Etwas Gewalt“, Heinisch spannt einen weiten Bogen. KAPITEL 20 befasst sich mit der „Finanzwelt“. Auf in das Dorado der juristischen Kreativität: Bad Bank, Derivatehandel, für die Doktortitelrückgabe hinten anstellen, Schwarzes Geld und weiße Westen, scheue Rehe, Nummer ziehen beim Ablasshandel und ein Blick in die Heuschreckenbank und die Bibel: Bilder sagen mehr als Worte.
Jetzt auch noch „Umwelt und Verkehr“. KAPITEL 21 bietet Lösungen: die Umwelt-Justitia, der fehlende Honig der Bienen, Nachtflüge und Umweltgewissen, Fahrradwege und die Vorfahrtsregeln neu interpretiert. Mit eingelegter Lanze durch die Schlaglöcher, wenn da nicht der Umweltschutz wäre… „Justitia“ hat auch in KAPITEL 22 das letzte Wort: Philipp Heinisch würde mit ihr gerne mal eine Tasse Tee oder ein Glas Wein trinken und ihr die Frage stellen, ob sie recht / Recht sieht und was sie davon hält. Ihr widmet der Künstler den Abschluss des Buches.
Fazit:
Spannend und faszinierend, gut auf den Punkt gebracht. Ein Buch, das jede Juristin und jeden Juristen erfreut, nachdenklich macht und sich lohnt, immer wieder in die Hand genommen zu werden. Man kann darin schmökern und wird schmunzeln. Ein wunderbares Geschenk zu jeder Gelegenheit. Nicht nur 3-Sterne sondern mindestens 5 Sterne wert!
„SEHE ICH RECHT?“
Philipp Heinisch
ISBN: 978-3-946972-28-0
Schaltzeit Verlag, Berlin